Interview rund um die Themen Meetingvorbereitung, Meetingablauf und Meetingfallen.
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Die ganze Zeit aufs Handy schauen, aus Rache zu spät kommen: Meetings sind oft wenig effizient. Unternehmensberater Fabian Kratzberg berichtet, welche Fehler in Organisationen zum Alltag gehören und was Arbeitnehmer gegen die Zeitverschwendung tun können.
Von der Strategiebesprechung bis zur Brainstorming-Runde: Meetings sind fester Bestandteil des Alltags in Unternehmen. Eine repräsentative Studie des Technologiekonzerns Sharp unter Büroangestellten in Deutschland und anderen EULändern zeigt, dass allein die Befragten dieser Berufsgruppe im Schnitt 16,5 Stunden pro Monat in solchen Treffen verbringen. 80 Prozent waren der Meinung, dass sie an ihrem eigenen Arbeitsplatz produktiver sind. Und mehr als die Hälfte beklagte, dass die Meetings nicht zu klaren Ergebnissen führen und langweilig sind. Berater Fabian Kratzberg erklärt, was falsch läuft.
WELT: Viele Arbeitnehmer klagen, dass sie einen Großteil des Tages in Meetings verbringen und wenig dabei rumkommt. Ist es wirklich so schlimm?
Fabian Krrattzberrg: Ja, in Unternehmen und Projekten läuft manchmal vieles falsch. Das hat mit der Rolle zu tun, die Meetings zukommt. Menschen haben heute die Möglichkeit, im Homeoffice oder an verschiedenen Standorten zu arbeiten. Und auch wer im selben Gebäude sitzt, kommuniziert meist hauptsächlich per E-Mail. Ein persönliches Zusammentreffen findet nur noch statt, wenn es als Meeting anberaumt wird. Hier soll dann alles, was sonst zu kurz kommt, kompensiert werden. Dadurch wird das Meeting überfordert.
WELT: Was läuft genau falsch?
Kratzberg: Das fängt schon bei der Organisation an. Jemand glaubt, er hat ein Thema, für das er mehrere Personen braucht. Dabei werden grundsätzlich zu viele Menschen eingeplant. Dann muss es gelingen, einen gemeinsamen Termin zu finden, an dem dann auch noch ein geeigneter Raum frei ist. Unternehmen haben gar nicht mehr so viele Meetingräume zur Verfügung, wie Meetings gemacht werden. Neben dem Horror, alle Beteiligten kalendermäßig zusammenzubringen, sucht der Organisator auch noch die richtigen Hilfsmittel. Für alle, die keine Sekretärin haben, wird das zu einem nicht unerheblichen Zeitfresser.
WELT: Was braucht es denn eigentlich an Ausstattung?
Kratzberg: Das hängt natürlich von der Zahl der Teilnehmer ab. Aber in den allermeisten Fällen ist es besser, minimalistisch zu sein. Für drei Leute braucht man keinen Beamer. Weil das aber mittlerweile als Standard gilt, kommt es regelmäßig zu kuriosen Zwischenfällen. Es gibt Konzerne, wo Beamer an der Wand hängen, aber die Kabel fehlen,um den Laptop anzuschließen. Da trägt dann irgendwann jeder ein eigenes Täschchen mit Kabel und Adaptern mit sich rum. Ein Hausmeister, der die Ausstattung kontrollieren könnte, ist meist schon längst wegrationalisiert. Entsprechend bleiben auch benutzte Kaffeetassen oder leere Whiteboardstifte zurück.
WELT: Es geht also schon viel schief, bevor es überhaupt um Inhalte gehen kann.
Kratzberg: Ja, und das darf man nicht unterschätzen. Es kann großer Frust dadurch entstehen, dass es regelmäßig zu Verzögerungen kommt. Bei vielen Meetings gibt es Effekte wie im Kindergarten: Finde ich selbst einen leeren Stift und muss mir erst selbst einen neuen holen, lasse ich beim nächsten Mal selbst einen leeren liegen. Hinzu kommen Wartezeiten aufgrund von Machtspielen.
WELT: Inwiefern?
Kratzberg: Personen, die sich für wichtig halten, kommen durchaus auch bewusst zu spät; oder zumindest mit einer gewissen Normalität. Es ist wie bei der Oscarnacht: Die wichtigsten Stars kommen als Letztes, auf die wartet man halt. Auch bei der Wahl der Teilnehmer kann das Machtgefüge zuschlagen: Vielleicht lädt man den Konkurrenten bewusst nicht ein, um ihn aus dem Informationsfluss zu drängen und selbst bessere Chancen auf die Beförderung zu haben. Häufiger passiert es aber, dass nicht zu wenige, sondern zu viele Menschen eingeladen werden. Das ist nicht immer strategisches Agieren. Manches passiert aus Unsicherheit oder schlicht, weil es immer so gemacht wurde.
WELT: Wie lässt sich gerade dieses Zuviel verhindern?
Kratzberg: Zu Beginn eines Meetings sollte genügend Zeit dafür bleiben, Agenda und Ziel zu klären. Man sollte nicht direkt mit einem Sachpunkt loslegen, sondern besprechen: In welchen Zeiteinheiten klären wir welche Frage? Danach muss es für die Teilnehmer dann völlig legitim sein zu sagen: Ich kann hierzu nichts beitragen, ich sollte meine Zeit wertstiftender einsetzen.
WELT: Kann man das nicht verhindern, indem man schon vorher eine Agenda
rumschickt?
Kratzberg: Das sollte man auf jeden Fall tun. Viel zu oft werden Einladungen einfach nur mit Titel, Ort und Uhrzeit rumgeschickt – ohne nähere Beschreibung. Trotzdem können sich auch bei detaillierter Beschreibung noch Veränderungen ergeben. Deshalb sollte man bewusst die Möglichkeit einräumen, frühzeitig gehen zu können; das ist bislang einfach nicht Usus. Deshalb sehe ich sehr häufig Teilnehmer, die einfach nur ihre Zeit absitzen, ohne sich zu trauen, etwas zu sagen.
WELT: Wozu führt das?
Kratzberg: Am Anfang zücken noch die wenigsten ihre Handys und Laptops. Aber spätestens nach fünf bis zehn Minuten werden sie reihenweise genutzt. Einige Teilnehmer kaufen parallel bei Amazon ein oder schauen auf die Nachrichten bei Facebook. Es werden auch Spaßmails mit anderen Teilnehmern hin- und hergeschickt nach dem Motto: "Was erzählt der da vorne wieder, wir sind völlig fehl am Platz." Viele sind aber auch gezwungen, andere Aufgaben parallel voranzutreiben, weil sie ihr Arbeitspensum sonst nicht schaffen würden.
WELT: Was kann man dagegen tun?
Kratzberg: Es muss gelingen, dass nur die teilnehmen, die wirklich wichtig für das Treffen sind. Wenn das gewährleistet ist, ist für die verbleibenden Teilnehmer ein Technikverbot abgebracht. Also: Laptops zu, Handy in die Hosentasche. Da gibt es nur schwarz und weiß. Ist jemand wichtig, muss er voll anwesend sein. Ist er nur halb dabei, ist er entbehrlich.
WELT: Das durchzusetzen ist ja eher Sache einer Führungskraft. Was können Arbeitnehmer selbst tun?
Kratzberg: Sie können schon ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es anders laufen muss. Wer dem Chef signalisiert, dass er es sinnvoll fände, Meetingregeln aufzustellen und dafür selbst einen konstruktiven Vorschlag macht, sammelt Pluspunkte. Das ist auch vorteilhaft für die Führungskraft, weil sie dann keine Regeln von oben diktieren muss. Arbeitnehmer sollten auch vorschlagen, eine Rollenverteilung einzuführen.
WELT: Welche Rollen sollen das sein?
Kratzberg: In jedem Meeting sollte es einen Zeitmanager geben, also eine Person, die darauf achtet, dass die Agenda eingehalten wird. Derjenige hat dann auch das Recht zu sagen: "Die 15 Minuten für diesen Punkt sind vorbei. Wir können noch zwei Minuten überziehen, aber das gefährdet unseren weiteren Zeitplan." Auch der klassische Protokollführer hat seine Berechtigung. Da hat niemand Lust drauf, aber man kann das ja im Wechsel machen. Es ist absolut hilfreich, wichtige Entscheidungen, Aufgaben und offene Diskussionspunkte zu dokumentieren und nach dem Treffen rumzuschicken oder im zentralen Laufwerk abzulegen. So muss auch niemand Angst haben, etwas zu verpassen, wenn er nicht an einem Meeting teilnimmt. Und auch die Rolle des Regelüberwachers sollte besetzt werden - also dem, der darauf achtet, die gemeinsam beschlossenen Meetingregeln einzuhalten.
WELT: Derjenige wird sich bei seinen Kollegen aber nicht gerade beliebt machen.
Kratzberg: Man sollte die Ermahnung natürlich feinfühlig kommunizieren. Aber wenn man jemandem die Rolle zuweist, dann hat er das gute Recht dazu, sie zu erfüllen. Das passiert im Sinne aller, weil man sonst den Effekt hat, dass jeder schweigt.
WELT: Und wie ist es mit der naheliegendsten Lösung, einfach weniger Meetings abzuhalten?
Kratzberg: Die ist sehr wichtig. Dazu gehört auch, wieder mehr Raum für andere Kommunikationsformen wie Zweiergespräche und klassische Arbeitsgruppen mit wenigen Teilnehmern zu lassen. Und um die Treffen effektiver zu machen, sollte es viel öfter Zeit für Feedbackrunden zum bisherigen Fortschritt geben. Die können direkt am Anfang stattfinden, da denken die Leute auch noch nicht an das Folgemeeting.